Con Air - behind the scenes

Con Air - Behind the Scenes

von Robert Blanchet

Juni 1997

Regie hat bei Con Air ein Mann namens Simon West geführt. Das hat aber nichts zu sagen. Viel wichtiger ist, dass er von Jerry Bruckheimer produziert worden ist. Con Air muss beinahe wie in den alten Tagen Hollywoods als ein Produzenten-Film gesehen werden. Bruckheimer wird sogar nachgesagt, er suche sich geziehlt Hollywood Regie-Novizen aus der Werbe- und Videobranche, um den eigenen Griff am Ruder zu festigen.

Bruckheimer kann zudem als so etwas wie ein Mainstream-Produzent im wahrsten Sinne des Wortes bezeichnet werden. Bruckheimer zählt zu den sichersten Erfolgsgaranten in Hollywood. Im Gegensatz zu den grossen Regie-Filmemachern wie Spielberg, Zemeckis oder Cameron, besteht das Talent des reinen Produzenten Bruckheimer jedoch nicht darin, ein Massenpublikum mit der scheinbar unfehlbaren Umsetzung der eigenen Vorlieben, Visionen und Ideen zu überwältigen, sondern bestehende Marktbedürfnisse zielsicher zu erkennen und zu bedienen. Bruckheimers Inspirationsquell dürfte weniger das "Kind im Manne" sein, als vielmehr das Kalkül einer mittlerweile auch in Hollywood gängigen Marktforschung. Gerade in diesem Zusammenhang muss ihm aber wohl ein gewisser, wenn auch nicht unbedingt rühmlicher Pioniergeist zuerkannt werden.

Bruckheimer und sein mittlerweile verstorbener Partner Don Simpson werden als einflussreiche Agenten bei der Begründung des radikalisiert kommerzialisierten Vermarktungs- und Produktionsstils gehandelt, der Hollywood seit Anfang der Achziger Jahre dominiert. Die Merkmale dieses Produktionsstils versucht Justin Wyatt in seinem Buch High Concept. Movies and Marketing in Hollywood genauer zu umschreiben.

Da das auf engem Raum nur schwerlich geht, seien zur Assoziation an dieser Stelle nur die bekanntesten Filme aus jener Zeit genannt, die auf das Konto von Bruckheimer und Simpson gehen. Flashdance, Beverly Hills Cop und allen voran Top Gun aus dem Jahre 1986. High Concept Filme hiessen seinerzeit auch im Industrie-Jargon so, weil sie in einer bis dahin ungewöhnlich verschärften Weise von vorneherein für eine optimale Vermarktung in den Medien konzipiert wurden. Zu einer der wichtigsten Qualitäten, die ein Film in diesem Sinne aufzuweisen hat, gehört nach Wyatt die Möglichkeit, das Handlungsschema und vor allem den kostitutiven, werbestrategischen "hook" oder Aufhänger des Films in möglichst wenigen Worten oder bildlichen Anspielungen für ein Zielpublikum klar ersichtlich machen zu können. Dass das Wissen um den Verlauf eines Films paradoxerweise dem Interesse an diesem kaum zu schaden scheint, beweisen ja auch die als Insider-Reportage und "Making of" getarnten Werbebeiträge in diversen televisuellen Kinomagazinen, die bisweilen nurmehr gerade das unvermeidliche Happy End aussparen und daher (Empfehlung des Autors) vor dem Kinobesuch strickt zu umgehen sind.

Auf Ebene der filmischen Optik, so Wyatt, zeichnen sich High Concept Movies zudem durch die Übernahme einer Hoch-Glanz-Ästhetik aus, wie sie bis dahin noch eher (vgl. oben) im Werbespot oder dem seinerzeit gerade aufblühenden Videoclip beheimatet war. Auch wenn diese Bilder heute schon wieder hoffnungslos altbacken wirken; man/frau werfe bei Gelegenheit mal wieder einen Blick auf Top Gun und achte darauf, wie nahezu jede Aussenaufnahme entweder bei Sonnenauf- oder Untergang spielt und bei fast allen Innenaufnahmen grelles Licht durch seinerzeit äusserst angesagte, gesenkte und aufgeklappte Rollos fällt, um ein eindrückliches Kontrastspiel aus Glanzpunkten und kühlen Schatten zu produzieren. Heute schon fast lächerlich, damals, wer sich offen erinnert, kommerzielles Blendwerk auf der Höhe der Kunst.

Für eine Generation, die mit diesen Filmen aufgewachsen ist, definieren derlei Dinge natürlich den "properen" Hollywoodfilm schlechthin. Alles andere erscheint unweigerlich als "alter Schinken", der irgendwie die Essenz der unterhaltsamen Filmgestaltung noch nicht begriffen hat.

Con Air weist nun zwar gewiss auch Züge auf, anhand derer er von den typischen Filmen der Achziger Jahre unterschieden werden kann (wie z.B das atemlose Wummern der Bilderflut und vor allem des Soundteppichs) , dennoch stellt er selbstverständlich nichts anderes dar, als die konsequente Weiterführung dieser "Hohen Schule".

Auch wenn es ihm sicherlich stringenter gelingt als seinem ebenfalls von Bruckheimer produzierter Vorgänger im letzten Sommer The Rock, leidet Con Air wie dieser unter den Bemühungen, die notwendige Breitenwirkung durch die Deckung möglichst vieler der herrschenden Vorlieben zu bewerkstelligen[1]. Als Garant für mittlerweile nahezu pflichtmässige ironsiche Untertöne fungiert auch hier wieder Nicholas Cage. Dennoch sollen hier zweifelsohne auch die Freunde "ernsthafter" Action auf ihre Kosten kommen. Spätestens seit Rambo II muss ein Actionheld schneller laufen können als ein explodierender Feuerball. Spätestens seit Twister, crashen Automobile nicht mehr nur von links oder rechts ins Bild, sondern auch von oben.

Wesentlich deutlicher als bei The Rock fällt die Anbiederung an das neue Kult- oder Metakino um Tarantino und Co. aus. Das Drehbuch stammt denn auch aus der Feder von Scott Rosenberg, der auch das Script zu Things To Do In Denver When You're Dead verfasst hat.

Genau diese Fusion von neuem Kultkino und harter Aktion ist natürlich der zentrale Aufänger des Films (vielmehr als die Geschichte), den uns die Werbekampagne unmissverständlich vermittelt. Auch hier geht es nach Wyatt primär darum in einem kurzen Spot oder einer Printanzeige beim Konsumenten sofortige Wiedererkennung zu gewährleisten und eine glasklare und möglichst hohe Erwartungshaltung zu wecken. Wer denkt nach dem Trailer nicht an so etwas wie The Usual Suspects mit einem All-Star Kultfilm-Ensemble plus spektakuläre Action à la Die Hard? Der erste Trugschluss, dem man/frau dabei leicht unterliegt, ist natürlich der, die qualitativen Vorzüge der angedeuteten und belehnten Vorlagen einfach zu addieren und hoffnungsvoll auf das beworbene Produkt zu übertragen. Wie Con Air beweist geht diese Rechnung in der Regel jedoch leider nicht auf. (Hoffen wir dennoch, dass Men In Black hier eine bestätigende Ausnahme bildet.)

Der zweite Trugschluss besteht darin zu glauben, diese Wiederverwertungsstrategie demonstriere unmittelbar den unfreiwilligen Stupor und die Einfallslosigkeit des Hollywoodkinos. Die Schraube muss hier aber um eine Drehung weitergetrieben, respektive früher angesetzt werden. Erkennnisse wie, Twister sei so etwas wie Jurassic Park mit Wirbelstürmen, Dante's Peak wiederum ein Twister mit Vulkanausbruch usw. belegen nämlich weniger die Minderwertigkeit Hollywoods als vielemehr die Funktionstüchtigkeit des Systems. Der Kritiker darf sich dabei zu nicht viel mehr gratulieren, als die Werbebotschaft des Films wie erwünscht verstanden zu haben. Pointiert, hier handelt es sich nicht um "Dekonstruktion" sondern um High Concept in actu.

Die Bildung von Filmketten erinnert an die von Georg Seesslen vorgetragene These, ganze Generationen würden, nachdem sie irgendwann im präpubertären Alter geködert wurden, von Hollywood mit einer den wachsenden medialen und kognitiven Fähigkeiten angepassten Filmnahrung über die weiteren Lebensabschnitte begleitet[2].

Zu einem gesunden Wachstum gehört aber nicht nur der sukzessive Aufbau auf bestehende Muster sondern natürlich auch die Verdrängung. Nicht zuletzt die von peinlichen Jugendsünden. Signifikanterweise steht auf den Con Air Plakaten natürlich nicht "From the Producer of Flashdance and Top Gun". Auch hier unterscheidet sich der eher anonym agierende Produzent Bruckheimer von jemandem wie Spielberg, bei dem ja allein die Namensnennung eine Assoziationskette auslöst, die dem damit kreditierten Film die Einspielung der Produktionskosten so gut wie sicher stellt. Wer jedoch vornehmlich auf flüchtige Trends setzt, muss zwangsweise seine Spuren verwischen. Das gilt natürlich auch für ein entsprechendes Publikum, was uns zum dritten möglichen Trugschluss bezüglich eines Films wie Con Air oder The Rock bringt. Wer glaubt er habe mit der Partizipation an diesen Filmen die Vergangenheit in irgend einer Weise hinter sich gelassen oder gar überwunden, irrt sich.

Notes:

[1] siehe: Robert Blanchet Rock n' Roll Swindle

[2] siehe: Robert Blanchet Hollywood on Hollywood